Nastassja Martin: Vom Bären verletzt
Bei einem Forschungsaufenthalt im äußersten Osten Russlands wird die Anthropologin Nastja von einem Bären in den Kopf gebissen und schwer verletzt. Es folgt eine Odyssee durch verschiedene Krankenhäuser in Russland und Frankreich. Aber um alles wirklich zu verarbeiten und den Heilungsprozess zu vollenden fährt sie wieder zurück dorthin, wo die Begegnung mit dem Bären stattfand.
In der Einsamkeit Kamtschatkas wird sie immer wieder von Träumen heimgesucht, wandelt zwischen den Welten, das indigene Volk der Ewenen sieht sie durch ihr Überleben als Zwischenwesen, halb Mensch, halb Geist. Nastja selbst sieht sie Begegnung mit dem Bären als unvermeidlich, als Neuanfang, fühlt sich wie neu geboren.
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“An das Wilde glauben” führt in spezielle Daseinsbereiche
Nastassja Martin erzählt in diesem autobiographischen Buch (das mich immer wieder an “Tiger” von Polly Clark erinnert hat) von den Folgen ihrer traumatischen Begegnung mit dem Bären, es geht um Animismus und indigene Völker, um das belastete Verhältnis von Natur und Mensch, um moderne Medizin im Gegensatz zur traditionellen Heilkunst. Ich habe herausgefühlt, wie sehr sie die Menschen am Abgrund sieht, und ihnen mit diesem Buch die Perspektive einer Umwandlung schenkt.
Das Buch führt in spezielle Daseinsbereiche, ist philosophisch und manchmal losgelöst von allem, immer wieder poetisch. Eine Wucht von einem Buch, eine Kraft, eine Überzeugung, eine Seele. Eine ganz besondere Lese-Erfahrung.
Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer.
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Nastassja Martin
“An das Wilde glauben”
Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer.
Matthes & Seitz
139 Seiten
erschienen am 18.03.2021