Curtis Sittenfeld: Hillary for President
Auf Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin lagen im Jahr 2016 die Hoffnungen vieler Menschen: Sie wäre die erste Frau gewesen, die ins weiße Haus einzieht. Die erste Frau auf einem der mächtigsten Posten der Welt. Es sollte nicht sein: Clinton erlitt eine bittere Niederlage. Die Vereinigten Staaten und der Rest der Welt mussten stattdessen vier Jahre unter Trump leiden.
Da ist es nicht verwunderlich, wenn man den Traum der ersten Frau im Präsidentenamt auferstehen lassen möchte, ein feministisches Märchen mit Zukunftssaussichten erzählen möchte. Die amerikanische Autorin Curtis Sittenfeld legt den Fokus ganz klar auf Hillary und ihre politischen Ambitionen. Sie biegt bereits 1974 ins Paralleluniversum ab, als Bill zum wiederholten Male um Hillarys Hand anhält. Während sie den Antrag im wirklichen Leben annahm, lehnt sie im Buch ab und verlässt Arkansas, wo Bill Clinton Gouverneur werden wollte (was er im echten Leben auch wurde).
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Fiktives Leben als Hillary Rodham
Ab da folgt man dem fiktiven Handlungsstrang. Hillary hat weder Kinder noch einen Partner, sie bleibt Hillary Rodham (daher auch der englische Titel “Rodham”), wird Professorin für Recht in ihrer Heimat Chicago. Anfang der 1990er Jahre geht sie für Illinois in den Senat und startet ihre Karriere in der Politik. Das erste Mal zeigt sie 2004 Interesse an einer Präsidentschaftskandidatur, danach probiert sie es weitere Male.
Es ist spannend zu sehen, wie Curtis Sittenfeld eine Welt gestaltet, in der Bill Clinton ohne Hillary kein Präsident wäre, weil seine Frauengeschichten ihn bereits früh zu Fall bringen. Stattdessen wird er Tech-Milliardär im Silicon Valley, heiratet eine gesichtslose Frau, bekommt zwei Kinder.
Aufeinandertreffen der Ex-Partner
Alle paar Jahre lässt Curtis Sittenfeld die Ex-Partner aufeinander treffen, auf Events und politischen Veranstaltungen, einmal gibt es sogar ein Date, bei dem Hillarys plötzlich auftretende Naivität etwas stört. Während sie nicht von Bill loskommt, lebt der, längst geschieden, sein Leben mit unterschiedlichsten Frauen. Als Hillary für die Vorwahlen 2016 als Kandidatin antritt, heißt ihr Gegner überraschenderweise Bill Clinton.
Die Einblicke, die man in den Wahlkampf erhält, sind höchstinteressant, oft schockierend. Die jahrelange Vorbereitung, das Treffen von unzähligen potentiellen Wähler*innen, das Eintreiben von Spendengeldern – Wahlkampf gleicht einem Ultra-Marathon, bei dem den wohl den meisten Leuten die Kraft ausgehen würde. Die Schritte, die man gehen muss, um Präsident*in zu werden, sind immens, der Weg ist hart und das alles, nur um dann letztendlich zu verlieren?
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Hillary als wortgewandte, toughe Frau
Durch Hillarys Wahlkampf eine weibliche Sichtweise auf die Politik zu bekommen ist erhellend. Ihre Darstellung als wortgewandte, toughe Frau, die für ihre Rechte kämpft und sich von niemandem etwas sagen lässt, inspiriert und hat echten Vorbildcharakter. Leider dreht sich viel um ihr Äußeres, was aber wohl auch in der echten Welt genauso wäre.
Ein wenig Kritik kann man sicherlich ausüben: Hillary als naives Weibchen, das Bill jahrzehntelang hinterher trauert? Auch die Vorstellung eines Donald Trump, der feministische Ambitionen zeigt und Hillary als Kandidatin unterstützt, ist reichlich skurril. Ein bisschen subtiler hätte Sittenfeld die Ausrichtung der Figuren gestalten können, dennoch ist der Roman insgesamt richtig gut.
Politischer Roman mit Love Story und feministischer Perspektive
Ein politischer Roman mit Love Story und traumhaft feministischer Perspektive: Das Buch lebt von seinen unterschiedlichen Teilen (sehr berührend sind die Szenen von Bill und Hillarys aufkeimender Liebe an der Yale Law School 1971) und entwickelt einen starken Sog, in dem man wunderbar versacken kann. Von den gut 500 Seiten jedenfalls ist keine zu viel.
Vielen Dank an Penguin für das Rezensionsexemplar.
Curtis Sittenfeld
“Hillary”
Penguin
Aus dem Englischen von Stefanie Römer.
Erschienen am 19.04.2021