Iva fährt nach Dresden, weil ihr Vater im Sterben liegt. Sie bleibt ein paar Tage dort, wohnt im alten Haus, durchstreift Dresden und ihre Erinnerungen, lernt Ismene kennen, eine esoterisch veranlagte Prostituierte. Ihr Partner Roy und der kleine Sohn Shlomo sind in Düsseldorf geblieben und so scheint sich etwas zwischen Iva und Ismene zu entwickeln, während Iva über sich selbst, ihre Familie und deren Vergangenheit nachdenkt.
Ivas Großmutter hat ihre Kindheit in Namibia verbracht, als Kind von deutschen Auswanderern, woran die Köcherbäume erinnern, die immer noch vor der Villa in Dresden stehen. Der Vater selbst war Richter und rechts eingestellt, der Großvater ein Nazi, etwas, das die Familie nie besprochen und tief zerrüttet hat, Iva hat zu ihren Geschwistern und ihrer Mutter seit Jahren keinen Kontakt.
Der zweite Roman von Amanda Lasker-Berlin hat ein wenig gebraucht, bis er in Fahrt kommt, aber dann habe ich ihn wirklich gerne gelesen. Er behandelt wichtige Themen, bereitet sie psychologisch auf, wie die unaufgearbeitete Nazi-Vergangenheit, Familienschuld, Antisemitismus, Kolonialismus, Mutterschaft, Partnerschaft, Heranwachsen, wie schwierig Familie sein kann, und wie man sich freistrampelt, um wieder atmen zu können.
Ein Leseerlebnis, das für mich dahinplätscherte wie ein gemächlich fließender Bach, ruhig, unaufgeregt, in einer schönen und starken Sprache, mit ein paar Tiefgängen, die Substanz vorweisen. Sehr gelungen!
Vielen Dank an die Frankfurter Verlagsanstalt für das Rezensionsexemplar!