Katharina Schaller: “Unterwasserflimmern” – Ausbruch in Richtung Freiheit

Katharina Schaller schreibt in ihrem Debüt "Unterwasserflimmern" über eine junge Frau, die vor gesellschaftlichen Zwängen flieht und eine gewisse Art von Freiheit sucht.

Katharina Schaller – Unterwasserflimmern

Heiraten, Haus, Kind – ein normiertes Lebenskonzept, das viele Menschen jenseits der 30 anstreben. So auch Emil, der Freund der Protagonistin. Er macht mit ihr Klischee-Pärchenurlaub in Vietnam, denkt daran, eine Familie zu gründen. Ihre Freunde sind kürzlich aufs Land gezogen, die ersten Kinder kündigen sich bereits an. 

Doch die Protagonistin des Romans, Anfang 30 und Redakteurin, kann sich damit überhaupt nicht identifizieren. Sie führt neben ihrer Beziehung mit Emil eine Langzeitaffäre mit Leo, vertreibt sich die Zeit oft mit One-Night-Stands. Als Emil sie damit überrascht, dass er ein Stück Land gekauft hat, stürzt alles in sich zusammen. Emil und sie trennen sich, die Protagonistin flieht, ohne zu wissen wohin. 


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Eine Flucht Richtung Süden

Sie trampt Richtung Süden, lernt dort irgendwelche Leute kennen, in Hostels oder einfach in der Stadt.  Sie lässt sich mitnehmen, bleibt dort, wo sie hingebracht wird. Eine Zeit lang wohnt sie bei Francesca und Marta, hat am Strand eine Affäre mit einer Surferin. Dann verbringt sie mit deren Ex-Freund eine Zeit in einem leer stehenden Haus, bevor sie erkennt, dass sie schwanger sein könnte.  Die mögliche Schwangerschaft erinnert sie daran, dass sie jetzt eigentlich in irgendeiner Form aktiv werden müsste. 

Die Erzählung ist seltsam herausgelöst, dringt tief, bleibt sehr im Moment, lässt intensiv die Verlorenheit und Perspektivlosigkeit spüren. Die Protagonistin ist derart passiv und richtungslos, dass ich manchmal den Wunsch hatte, sie anzustupsen, damit sie irgendetwas entscheidet. Gleichzeitig ist die Vorstellung sich tage- oder wochenlang in Momenten und Gedanken zu verlieren und treiben zu lassen, irgendwie attraktiv, der uneingeschränkt freiheitliche Gedanke daran faszinierend. 

Ein befreiender Ausbruch

Das Debüt von Katharina Schaller ist speziell, aber in seiner Art wirklich schön, die Sprache ist intensiv, sie dringt tief ein, ist manchmal hart. Vorgefertigte Lebenskonzepte, die zu viel Druck ausüben, gesellschaftliche Erwartungen, die viel zu hoch sind – der Roman bewegt sich in innerhalb dieser Themenfelder und stellt das Individuum, das daran zu zerbrechen droht, unweigerlich in den Mittelpunkt. Der Ausbruch einer jungen Frau, der etwas tief befreiendes vermittelt und starre Lebenskonzepte für Frauen kritisiert – was für ein besonderer und wirklich gelungener Roman. 

 

Katharina Schaller

“Unterwasserflimmern”

Haymon Verlag

240 Seiten

erschienen am 18.03.2021