“Das Paradies ist weiblich” – eine inspirierende Anthologie
In 20 ganz verschieden Beiträgen – Essays, (autofiktionalen) Kurzgeschichten, wissenschaftlichen Texten – gehen die Autor:innen der Frage nach, ob das Matriarchat die bessere Gesellschaftsform wäre. Herausragend ist die Kurzgeschichte der Künstlerin Sophia Süßmilch, eine überraschend witzige und pointierte Erzählung über ihre ultrafeministische Mutter Hannelore, die für Sophia die Inkarnation des Matriarchats ist.
“Ihr wollt also wissen, wie das Matriarchat aussieht? Das Matriarchat hat rote Haare. Ich nenne es heimlich Esoterika, aber das Matriarchat heißt Hannelore. Das Matriarchat, das ist meine Mutter.”
Lesetipp: (Frauen)Literatur – Nicole Seifert. Weshalb FrauenLITERATUR lange keine Beachtung fand.
Eine kollektive Wut, die sich spektakulär entlädt
Ebenfalls herausragend ist die kraftvolle und feministische Kurzgeschichte “Tamina Blue” von Mareike Fallwickl, in der jeder einzelne Satz von einer kollektiven Wut erzählt, die sich in den Frauen gesammelt hat und sich schließlich in einer Racheaktion entlädt. Sehr inspirierend fand ich auch den Essay von Miku-Sophie Kühmel, in dem sie sich für eine Neu-Interpretation des Mutterbegriffs ausspricht, und dafür eintritt, dass Mutterschaft gemeinschaftlich gelebt wird.
Lies auch: Katharina Volckmer – Der Termin. Ein feministischer Befreiungsschlag
Wir brauchen eine Welt ohne Hierarchien
Auch wenn die weibliche Alleinherrschaft vielleicht keine paradiesischen Zustände schaffen würde, so zieht man doch einiges an Inspiration aus diesem Sammelband (ich wusste z.B. vorher nicht, dass der Clownsfisch sein Geschlecht wechseln kann). Aber nicht nur die Tierwelt wird beleuchtet, die Autor:innen versuchen auch, menschliche Matriarchate aufzuspüren (was sich als nicht ganz einfach herausstellt) oder sie zu erfinden (wie in der Kurzgeschichte von Feridun Zaimoglu). Kristof Magnusson forscht Matronymen nach (vor allem heute noch bekannt aus Island), Emilia Roig fordert ganz klar “Smash the Gender Binary.
Wollte man eine Conclusio ziehen, dann wohl am ehesten in die Richtung, dass das Matriarchat nicht die ideale Form darstellt, sondern dass wir eine Welt ohne Hierarchien brauchen, die alle Herrschaftsprinzipien hinter sich lässt und in der jede:r frei von Unterdrückungsverhältnissen leben kann. Inspirierend, unterhaltsam, feministisch – ich kann das Buch sehr empfehlen! 💥
Vielen Dank an den Kein & Aber Verlag für das Rezensionsexemplar.
“Das Paradies ist weiblich”
Herausgegeben von Tanja Raich
Kein & Aber
Erschienen am 22. Februar 2022
